Freitag, 5. Oktober 2007

Yale ist eine Uni


Heute werde ich mich um die hunderte von Emailzusendungen kümmern, die ich als Reaktion auf diesen Blog bekommen habe und deren einheitlicher Tenor lautet: erzähl mehr von der Uni! Gut Freunde, wenn Ihr mich so bestürmt, will ich Eurem Wunsche nachkommen....

Die erste Frage, die sich aufdrängt ist natürlich: Wie Elite ist Yale wirklich?!
Die Antwort ist schwierig. Auch eine Frage, die allen Dahlemern auf den Herzen brennt: ist Yale wirklich besser als unsere heißgeliebte FU? Auch hier muss ich für die Antwort etwas ausholen.
Wenn "besser" "reicher" heißt, dann ist Yale in etwa Barça und die FU in etwa Eintracht Braunschweig... (mit einem Stiftungs-Vermögen von $18 Mrd ist Yale nach Harvard schließlich die zweitreichste Uni der Welt) - wenn "besser" aber einen qualitativen Mehrwert ausdrücken soll, dann muss man natürlich erstmal einschränken, dass ich ausschließlich Einblick in die hiesigen Geisteswissenschaften habe und allen Architekten, Produktdesignern und Freien Künstlern die Antwort schuldig bleiben muss: Ihr müsst selber herkommen und Euch ein Bild machen (oder ein Bild malen, Tim). Was nun aber die Geisteswissenschaften angeht (also v.a. die hiesige Komparatistik, Anglistik, Germanistik und Romanistik (Philosophie steht auf einem anderen Blatt, dazu komme ich weiter unten)) gibt es natürlich in Deutschland auch exzellente Institute und sehr schwache Institute. Und da die Berliner Komparatistik (AVL) mit Sicherheit eine der besten ist, würde ich behaupten, dass sie sich nicht im Mindesten hinter der CompLit aus Yale verstecken muss. Wenn man in Berlin an der FU AVL studiert hat, kann man ohne Probleme mit den Yalies, die vom Studienverlauf etwa gleich weit sind, mithalten. Allerdings ist der Unterschied hier wieder einmal ein finanzieller... denn so ein Yale-Student zahlt pro Studienjahr $45.000 [sic!]... ein FU-Student regt sich derweil über die 80€ Studentenwerksbeitrag pro Semester auf... Und wenn man natürlich pro Jahr zum Studieren den Preis für einen Mittelklassewagen auf den Tisch legt, hat man logischerweise auch ein anderes Verhältnis zu seinem Studium. Kurz: die Leute hier sind i.d.R. sehr viel fleißiger. Auf Denglisch würde man wohl sagen, der "Spirit" ist hier ein anderer. Der Wissensvorsprung, den man als Berliner Komparatist den Yalies gegenüber also zu Beginn des Semesters hat, ist nur mit sehr viel Arbeit zu halten.

Womit wir eigentlich auch schon beim nächsten Thema wären: der Bibliothek. Die hat hier nämlich traumhafte Öffnungszeiten bis 2 Uhr morgens (leider nicht die ganze Nacht durch, wobei ich vermute, dass das hauptsächlich damit zu tun hat, dass der Heimweg nachts hier nicht ganz ungefährlich ist). In dieser Bibliothek habe ich also schon so manche Nacht zugebracht und vermute, dass noch einige dazukommen werden. Das ist nämlich der sagenhafte Vorteil einer arschlangweiligen Stadt wie New Haven: man wird nicht so sehr vom Arbeiten abgelenkt, was einem in Berlin schon mal sehr schnell passieren kann...! Denn, falls ich es noch nicht erwähnt habe: New Haven ist die langweiligste Stadt der Welt! Dass New York gleich um die Ecke liegt, habe ich bisher noch nicht genutzt, und um den Fragen vorzubeugen, wann ich nun endlich hinfahre (nicht wahr, Fritz?!): es wird sicherlich noch ein bisschen dauern, da ich gerade ziemlich viel zu tun habe.

Berühmtheiten laufen hier so viele rum, wie an manchen großen deutschen Unis auch. Schließlich hat ja jeder Fachbereich seine Superstars - und ich denke, auch da muss sich Deutschland sicherlich nicht verstecken.

Zu guter Letzt noch ein, zwei Sätze zur Philosophie hier. Was einst mit Frege und Wittgenstein und Carnap und den ganzen Wiener Kreis-Leuten seinen Anfang im deutschsprachigen Raum hatte, ist, aufgrund eines bestimmten Großereignisses nach 1933, zusehends in den englischsprachigen Raum abgewandert und so unterscheidet man zwischen analytischer (anglo-amerikanischen) und kontinentalen Philosophie. Und tatsächlich findet sich hier auf den Lehrplänen nur wenig, was man an europäischen Universitäten (England ausgenommen) en masse findet. Keine antike Philosophie, keine Existenzphilosophie, keine Phänomenologie, kein philosophische Ästhetik, keine Ethik etc.... dafür sehr sehr viel analytische Philosophie. Dementsprechend habe ich in diesem Semester kein einziges Seminar in Philosophie belegt und auch im nächsten Semester scheint es nichts für mich interessantes zu geben. Aber das war ja nicht anders zu erwarten gewesen...

Hier also das Fazit: Geld schießt Tore, was aber nicht heißt, dass kein Geld keine Tore schießen könnte. Und wenn man die jeweiligen Etats miteinander vergleicht und dann sieht, dass die FU nicht unbedingt weniger Tore schießt als Yale, fragt sich, welche von beiden eigentlich wirklich die Elite-Uni ist. Aber ich will natürlich nicht undankbar sein, freue mich nachwievor hier sein zu dürfen und nutze die Zeit (und die geringe Ablenkung, die das außerakademische Programm von New Haven zu bieten hat) um endlich mal wieder intensiv zu arbeiten.

So, und zu guter Letzt noch einmal der Link zu den aktuellen Fotos: http://picasaweb.google.com/ekyale/DigiCamArrived.

Keine Kommentare: